Ein immer größerer Teil des Lebens findet digital statt. Auch in Unternehmen werden immer mehr Daten digital verarbeitet und gespeichert. Aber was passiert, wenn der Betriebsinhaber oder Bereichsleiter stirbt? Der Bundesgerichtshof (BGH) hat im Sommer entschieden, dass Eltern auch ohne vorher vereinbarte Nachlass-Regelung den Account ihrer verstorbenen Tochter bei Facebook einsehen dürfen.
Damit beseitigte der BGH eine Rechtsunsicherheit, hieß es zumindest. Die natürlichen Erben, so wurde vielfach interpretiert, erhielten aufgrund des Urteils immer vollumfänglich Zugriff auf den digitalen Nachlass des Erblassers. So entstand vielfach der Eindruck, dass es nunmehr hinfällig sei, sich um sein digitales Erbe kümmern zu müssen. Das allerdings ist ein Trugschluss, der besonders im unternehmerischen Bereich weitreichende Risiken mit sich bringt, weitaus mehr als für Privatpersonen.
Fällt der Firmenchef oder eine digitale Schlüsselfigur wie beispielsweise der IT-Verantwortliche aus oder nimmt er betriebsinterne Informationen über Projekte, Geschäftspartner und den kompletten Geschäftsablauf mit ins Grab, kann schnell Handlungsunfähigkeit drohen und die Existenz des Betriebs gefährdet sein.
Durch das jüngste Urteil des BGH ist dieses Schreckensszenario keineswegs beseitigt. Viel besser ist daher auch fortan: Den digitalen Nachlass regeln, selbst für Rechtssicherheit sorgen und so Risiken vermeiden.
Was gehört zum digitalen Erbe?
Zum digitalen Erbe kann Folgendes gehören: Daten bei Kommunikationsdiensten wie Whatsapp, Instagram, Twitter, Facebook, E-Mail-Anbietern; die Firmenhomepage; Konten und Vermögenswerte bei Online-Banken und -Bezahldiensten wie Paypal; Kundenkonten bei Online-Shops; Abos für E-Books und Zeitschriften, Musik- und Filmsammlungen oder Streaming-Diensten, die oft automatisch verlängert werden; Software für den heimischen und auch den betrieblichen PC wie zum Beispiel Buchhaltungs- und Bildbearbeitungsprogramme oder Speicherplatz in einer Datencloud; Hardware wie Smartphones, externe Festplatten, USB-Sticks, Tablets, E-Book-Reader, MP3-Player und Computer.
Wie sollte der digitale Nachlass geregelt werden?
Als Erstes sollte eine Liste erstellt werden, auf der alles aufgeführt ist, was zum betriebsrelevanten digitalen Erbe des Betriebsinhabers beziehungsweise der digitalen Schlüsselperson gehört. Die Liste sollte ständig aktuell gehalten und auf ihr auch Zugangs- und Benutzernamen sowie Passwörter gesammelt werden. Zudem sollte sie an einem sicheren Ort aufbewahrt werden, damit sie nicht in die falschen Hände fällt; das kann ein Safe oder ein virtuelles Schließfach sein. Zugang dazu muss konsequenterweise auch eine dritte Person haben, etwa ein Anwalt, ein Notar oder auch die vertrauenswürdige Chefsekretärin.
Wichtig ist eine entsprechende, möglichst konkrete Anweisung, wie vorgegangen werden soll, wenn der Chef oder der IT-Verantwortliche nicht mehr handlungsfähig sind. Unternehmen sollten schon jetzt dazu übergehen, die Verantwortlichkeiten hinsichtlich ihrer IT und Internetaktivitäten auf mehrere Schultern zu verteilen und Stellvertreter zu bestimmen - so kann im Unglücksfall die Handlungsfähigkeit des Betriebs gewährleistet werden. Es erleichtert das Vorgehen, wenn die ausgewählten Personen entsprechende Vollmachten und Befugnisse in Form eines klassisch analogen, rechtswirksamen Schriftstückes vorliegen haben.
… nicht nur für den Todesfall!
Auch durch Krankheit, einen medizinischen Eingriff oder andere unvorhergesehene Fälle kann es dazu kommen, dass eine digitale Schlüsselperson des Betriebs nicht mehr handeln kann –meist nur vorübergehend. Für solche Situationen sollten dennoch betriebliche Vereinbarungen und Notfallpläne vorbereitet werden – dazu gehört zuvorderst eine Liste mit sämtlichen Benutzernamen und Passwörtern. Wird eine Vorsorgevollmacht erteilt, sollte die möglichst ausdrücklich auch das Handeln im digitalen Bereich abdecken.
Was bedeutet das BGH-Urteil für das digitale Erbe?
Auch mit dem jüngsten BGH-Urteil ist es dringend angeraten, das digitale Erbe vorab zu regeln, insbesondere in Betrieben, wo andernfalls Handlungsunfähigkeit droht. Denn der Bundesgerichtshof hat zu einer sehr speziellen Situation eine Entscheidung getroffen, die mit einem Unternehmen oder unternehmerischen Belangen nicht wirklich etwas zu tun hat. Zudem hat der BGH in dieser Sache nur die allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von Facebook geprüft, die zum Zeitpunkt des Urteils aktuell waren. Deshalb kann der Richterspruch nicht eins-zu-eins auf andere Plattformen übertragen werden; zumal auch keine Aussage getroffen werden kann, ob und wie die unterschiedlichen Plattformen ihre Regelungen ändern.
Letztlich ist entgegen vieler Medienberichte eben nicht entschieden worden, ob die AGB einer Social-Media-Plattform vorsehen dürfen, dass Zugangsdaten nicht vererblich sind. Damit wurde nur deutlich, dass es noch viele Lücken gibt - und noch mehr Risiken, wenn man nicht vorbereitet ist. Diesen Risiken kann man nur wirksam entgegensetzen, sich selbst um den digitalen Nachlass zu kümmern und entsprechende Regelungen festzulegen, wie damit umgegangen werden soll.
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